8. Hospiz Fachtag in der HAP-Grieshaber-Halle

Rund 130 Teilnehmende waren beim 8. Hospiz-Fachtag des Hospiz Veronika und der ambulanten Hospizdienste Reutlingen und Metzingen/Ermstal in der Eninger HAP-Grieshaber-Halle. Das Thema war „Räume schaffen – Palliativkultur in Pflegeeinrichtungen“. Martina Kern (Foto) ist dafür aus Bonn nach Eningen angereist.

Foto und Bericht: Norbert Leister

Es ist ein Spagat. Und zwar einer, der auch weh tut. Am Freitagmittag stand in der Eninger HAP-Grieshaber-Halle beim 8. Hospiz-Fachtag die Vision einer Palliativkultur im Mittelpunkt, die nicht nur in Hospizen, sondern auch in den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern gelebt werden sollte. Der Spagat zwischen dieser Vision und der Realität sei nach den Worten von Referentin Martina Kern alles andere als einfach – aber unabdingbar, wie die Leiterin des Zentraums für Palliativmedizin am Helios Klinikum Bonn betonte.

Kern wie auch Andreas Herpich sind der Meinung: „Wir brauchen nicht mehr Hospize, die Kultur der Palliativpflege muss in der Breite“, so der Leiter des Hospizes St. Veronika in Eningen. Und das bedeutet, dass in allen Einrichtungen wie auch Zuhause, wo sterbende Menschen gepflegt werden, der palliative Ansatz gelebt werden sollte.

„Jeder Mensch hat das Recht auf würdiges Sterben“, hatte Landrat Dr. Ulrich Fiedler eingangs als Schirmherr der Hospiz-Fachtage hervorgehoben. Er dankte allen Beschäftigten in der Palliativpflege „für alles, was Sie leisten, für Ihren herausfordernden Dienst und Ihre wertvolle Arbeit“. Was aber ist denn nun unter einer „Palliativkultur“ zu verstehen? Die Antwort gab Referentin Martina Kern: „Palliativarbeit war immer eine Trotzarbeit.“

Trotz schlechter Bedingungen in der Pflege, trotz Personalmangel hätten sich zahlreiche Pflegende auf den Weg gemacht hin zu Palliative Care. Ein Beispiel? Herr Richards Frau ist verstorben, allein kann er nicht mehr zuhause leben. Scham, Wut, Reue, finanzielle Sorge, Schmerzen, Abhängigkeit, Ekel, Trauer, Panik vor dem Nicht-Sein – all das sei auf Herrn Richard eingestürzt, sagte Kern. „Hier ist die Frage, wann beginnt denn Palliativpflege“. Gerade in Bezug auf den Verlust seiner Frau gelte auch bei Herrn Richard: „Zeit heilt nicht alle Wunden – man gewöhnt sich nur an den Schmerz.“

Die Bonner Fachfrau hob hervor, dass im XI. Sozialgesetzbuch zwar die aktivierende Pflege aufgenommen wurde – nicht aber die Palliativpflege. „Die muss aber rein ins Gesetzbuch“, so Kern. Herr Richard habe sich trotz Anfangsproblemen gut in der Einrichtung eingelebt, allseits beliebt sei gewesen. „Nach zwei Jahren bekam er Metastasen in der Leiste.“ Was der Mann auf keinen Fall wollte – eine Einweisung ins Krankenhaus. In der Pflegeeinrichtung gestaltete sich die Pflege von Herrn Richard aber schwierig: Immer wieder blutende, nässende Wunden mussten versorgt werden.

Die Pflegenden kamen an ihre Grenzen, Fassungslosigkeit, Ekel, Mitleid, Hilflosigkeit und Überforderung waren ihre ständigen Begleiter. Die Einweisung in eine Spezialklinik wäre sicher besser für Herrn Richard, dachten die meisten. Doch Herr Richard weigerte sich. „Die Einrichtung hat sich entschieden, trotz aller Schwierigkeiten, den Mann zu behalten und bestmöglich zu pflegen.“ Dafür brauchte es allerdings Regeln und Standrads für die palliative Arbeitssituation.

Wie umgehen mit stark nässenden Wunden und Blutungen? Dürfen die Pflegenden den Notarzt rufen, wenn der den Patienten dann gegen seinen Willen mit ins Krankenhaus nehmen würde? Hinzu komme bei palliativer Pflege die Auseinandersetzung mit Angehörigen, die vielleicht sagen: „Sie können meinen Vater doch nicht verdursten lassen.“ Ängste sehen und auffangen, bestmöglich informieren – auch das gehöre zur Palliativpflege. Und die möglichst weitestgehende Selbstwirksamkeit der Sterbenden.

An diesem Nachmittag in Eningen war der Austausch zwischen all den Fachleuten zudem ein wichtiger Bestandteil des Palliativ-Fachtags, zu dem neben dem Hospiz Veronika in Eningen auch die Ambulanten Hospizdienste Reutlingen sowie Metzingen/Ermstal eingeladen hatten. Auf positive Resonanz stieß zudem ein Gespräch unter dem Titel „Hospiz meets Pflegeheim“, bei dem Fachleute aus Stuttgart auf der Bühne berichteten. „Die Wertschätzung für die Beschäftigten in der Palliativpflege ist enorm wichtig“, sagte Herpich auf Nachfrage. „Wir brauchen eine gute Arbeitskultur.“ Gefreut hatte sich der Hospiz-Leiter darüber, „dass heute auch so manche Vertreter von Trägern da sind, die sich offensichtlich für das Thema der Palliativkultur interessieren“.

Den Flyer des Fachtags können Sie hier herunterladen

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