Im echten Leben, im echten Sterben

Das Hospiz Veronika feiert seinen 20. Geburtstag mit einer beeindruckenden Vorstellung des ganzen Teams

Bericht und Foto von Christine Dewald

Keine Reden, keine Vorträge. Beim Festabend zum zwanzigjährigen Bestehen des Hospizes Veronika Eningen erfuhren die Besucher trotzdem sehr viel davon, was Hospizarbeit ausmacht. Erfuhren es nicht nur, sondern erlebten es: Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizes hatten ein Programm aus Szenen, Theaterbildern und Musik entwickelt, das die Gefühls- und Erfahrungswelt von Sterbenden und ihren Begleitern bewegend ins Licht rückte.

Wie der ungewöhnliche Festabend zustande kam, beschreibt Hospizleiter Andreas Herpich in einem einfachen Satz: „Wir wollten, dass unsere Gäste im Mittelpunkt stehen.“ Denn das tun sie auch im Alltag. Die ganz individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Gäste, wie die schwer kranken und sterbenden Bewohner der acht Zimmer im Hospiz Veronika genannt werden, sind Richtschnur für das Team. In zwanzig Jahren Hospizarbeit hat sich da eine ganze Menge an Wissen, Erfahrung, Einblick, Erkenntnis und ja, auch Weisheit angesammelt – Geschenke der Sterbenden an die Lebenden. Einige davon teilte das Veronika-Team am Freitagabend mit den Besuchern.

„Ich habe gehört, bei Euch kann man den Löffel abgeben.“ Der komödiantische Auftritt mit riesigem Silberlöffel warf die Zuschauer mitten hinein zwischen Lachen und Schreck. Aber gleich darauf philosophierten die Akteure darüber, was mit solchen Löffeln alles geschöpft werden kann. Mut, zum Beispiel. Oder Papier, das mit Worten wie Würde, Freiheit oder Dankbarkeit beschrieben wird. Ein anderes Bild, ein Rahmen, eine Tür. Was dahinter lag, ließ sich durch den Schleier aus weißem Stoff nur erahnen: ein Schatten, ein Licht. Die Schwelle dieser Tür war hoch, gezimmert aus Ungewissheit, Angst, Endgültigem, Traurigkeit. Wie die Helfer in diesem Schattenspiel einem gebrechlichen Menschen fürsorglich über die Schwelle halfen, gehörte zu den eindrücklichsten Szenen des Abends.

„Es ist ja nicht alles Schwarz-Weiß.“ Auch Farbe, Freude, Leichtigkeit hatten im Programm – und haben in der Hospizarbeit – ganz selbstverständlich Platz. Etwa in einer traumhaften Szene, in der ein Bündel aus weißen und bunten Luftballons dem Glasdach über dem Foyer des Reutlinger Dominohauses entgegenschwebte. In dessen luftigem Rahmen durfte das Geburtstagsfest gefeiert werden: ein Geschenk ans Hospiz und seine Mitarbeiter, überreicht von Wolfgang Riehle, Architekt und Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Hospiz Veronika.

In ganz zarten, poetischen Szenen erzählten die Hospiz-Mitarbeiter von dem, was dazwischen liegt: zwischen Anfang und Ende, zwischen dem ersten Schrei und dem letzten Wort. Vom Leben also. „Ist das jetzt alles nur Theater? Oder ist es im echten Leben, im echten Sterben genauso?“ Mit solchen Fragen setzte ein buntes, fröhliches Trio mit Clownsnase und in breitem Schwäbisch immer wieder einen erfrischenden Kontrapunkt.

In Arbeitsgruppen und bei acht Probe-Terminen haben die Haupt- und Ehrenamtlichen des Hospizes das Programm gemeinsam gestaltet. Als Regisseurin begleitet hat sie dabei die Theater-Macherin Susa Schmeel, die in partizipativen Projekten und mit Mitteln der darstellenden Kunst soziale Themen erkundet. Auf die Fragen der drei schwäbischen Quertreiberinnen, wer sich diese Jubiläumsfeier nur ausgedacht habe und was das ganze „Gekuddel“ eigentlich solle, gaben die Akteure eine ebenso einfache wie beseligende Antwort: Es geht ums Zuhören, und es geht um Geschenke.

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